Valldemossa

Zuflucht einer junge Liebe 

 

Es ist diese eine außerordentlich ungewöhnliche Geschichte, die davon handelt wie es ist, wenn junge Liebe Schutz sucht, weil sie sich gegen die Erwartungen und Urteile der Welt stellen muss. 


Mallorca im Winter – das wär’s doch!

Während in Deutschland die letzten Tage im Dezember kurz vor Weihnachten oft dunkel, nass oder beides zu-gleich sind, legt sich die bittere Kälte wie ein bleierner Mantel um Körper und Seele. Die Vorstellung, diesem furchtbar deprimierenden „Grau in Grau“ zu entfliehen, erscheint wie ein verträumter Lichtblick. Es ist nur ein leiser Sehnsuchtsgedanke, der im nächsten Moment wieder verblasst, warum auch? 

 

Bei all den Verpflichtungen und der inneren Erschöpfung wirkt der Gedanke an eine Flucht eher wie eine ferne Illu-sion.

 

 

Beruflicher Vollzeitstress unter widrigen Wetterbedingungen, fehlendes Vitamin D und das ständige Pendeln in überfüllten Zügen zerren zusätzlich an den strapazierten Nerven. Mein Akku ist leer, und ich funktioniere nur noch Dank einer letzten Energie-reserve, die zu allem Überfluss droht, bald er-schöpft zu sein. Hinzu kommt ein hartnäckiger, trockener Husten, der mich nachts um den Schlaf bringt. Sich "krank melden", um dem eigenen Immunsystem die dringend nötige Regeneration zu gö-nnen, scheint unmöglich – selbst der Gang zum Arzt würde Stunden im Wartezimmer bedeuten, für die mir schlicht die Zeit fehlt.

 

Die Vorbereitungen für das „perfekt ausgerichtete“ Weihnachtsfest tun ihr Übriges: Der Besuch der „lieben Familie“ steigert die Belastung nochmals. Ein aufgesetztes, entspanntes Lächeln über drei Feiertage hinweg wirkt wie einstudiert. Und gerade dann, wenn man glaubt, alles überstanden zu haben, droht der totale Zusammenbruch, unerwartet und mit voller Wucht.

 

Doch dann – wie aus dem Nichts – ergibt sich am 28. Dezember eine Chance: Ein spontanes Ange-bot von meinem Freund (und Teilzeit- Residenten), mich für zweieinhalb Stunden in den Flieger zu setzen und auf Mallorca von der milden Wintersonne begrüßt zu werden. Es fühlt sich an wie ein wundersamer Ruf eines Schutzengels, der mich an einen Ort der Ruhe und Erholung führen will.


Valldemossa

Die klare Wintersonne scheint durch die leichten Nebel-schleier, die sich über die Berge ziehen. Wir sitzen in einem kleinen Café („ein Platz an der Sonne“) und genießen die friedliche Stimmung des Ortes. 

 

Während mein Freund an seinem Café Cortado nippt, um-schließe ich meine Tasse mit wohltuendem Tee, dessen Wärme meine Erkältung ein wenig zu lindern scheint. Unser Blick schweift über das dicke Mauerwerk des Klosters, das so viel Geschichte in sich trägt.

 

Mit einem leichten Schmunzeln bemerkt er, dass solche Orte immer etwas Zeitloses haben, unabhängig davon, ob die Ver-gangenheit in großen oder kleinen Abständen zwischen zwei Menschen liegt. Mein Freund, nur we-nige Jahre älter als ich, der Valldemossa schon oft besucht hat, spricht begeistert davon, wie oft er hier gewesen ist, um den Blick auf das alte Kloster zu genießen und in eine besondere Zeit einzu-tauchen. 

 

Geheimnisvoll lächelnd macht er mich neugierig: „Weißt du, im späten Herbst des Jahres 1838 such-te ein junges Paar hier Zuflucht. Zur damaligen Zeit war es ein sehr berühmtes Paar aus Frankreich, welches  der Welt und den Konventionen ihrer Zeit zu entfliehen versuchte, denn ihre Beziehung galt über die Grenzen von Paris hinaus als ein gesellschaftlicher Skandal!

 

 

Seine einleitenden Worte versprechen mir mehr als nur eine Anekdote. Sie laden zu einem Ausflug in eine Geschichte ein, die von Liebe, Leidenschaft und Verzweiflung geprägt sein soll. Ich lehne mich zurück, lasse die laue, fast frühlingshafte Luft auf mich wirken und bin gerne bereit, mich von seiner Erzählung in eine "außergewöhnliche, großartige und fantastische LIebe" entführen zu lassen.


George Sand und Fredric Chopin - ihre Liebe ein Skandal

Die Geschichte von Frédéric Chopin und George Sand beginnt in Paris, genau in dem Jahr, in dem sie sich schon nach ein paar wenigen Monaten der ersten Verliebtheit auf ihren Vor-schlag hin entschließen, den Winter auf Mallorca zu verbring-en. 

 

Zusammen bilden sie eine außergewöhnliche Partnerschaft, die faszinierend ist. Sie, die gefeierte Schriftstellerin, geboren als Aurore Dupin, ist eine Frau, die ihrer Zeit (zumindest in Frankreich) weit voraus lebt. 

 

Mit 34 Jahren trägt sie (für die damalige Zeit ungewöhnlich) Hosen, raucht in der Öffentlichkeit und kämpft mutig für die Gleichberechtigung der Geschlechter. Ihre Exzentrik und ihr unerschütterlicher Wille, frei(er) zu sein, macht sie zu einer bewunderten, aber auch scharf kritisierten Persönlichkeit, über die man tuschelt.

 

Frisch getrennt von ihrem Mann, stürzt sie sich in ein Abenteuer mit einem jungen polnischen Kom-ponisten, der in Pariser Salons durch sein virtuoses Klavierspiel nicht nur ihr auffällt, sondern die Liebe der Franzosen im Sturm erobert.

 

Er, Frédéric Chopin, ist 1838 gerade mal 28 Jahre alt. Zudem schüchtern, introvertiert und ebenfalls wie Sand frisch getrennt. Sein außergewöhnlich, von der Fachwelt genial attestiertes musikalisches Talent befördert ihn schon früh zum anerkannt gefeierten Pianisten. 

 

Denn ihm gelingt es, durch seine am Klavier vorgetragenen Kompositionen eine emotionale Verbind-ung zum erlesenen Kreis seiner Zuhörerschaft herzustellen. Seine fragile Gesundheit ist es, die ihn immer wieder an seine Schaffensgrenzen bringt.

 

 

Ihre junge Beziehung widerspricht allen Konventionen der damaligen Zeit: George Sand ist eine äl-tere, unabhängige Frau und Chopin ihr jüngerer Geliebter, der später oft im Schatten ihrer Stärke steht. Doch diese Verbindung ist mehr als nur ein Skandal. 

 


Hoffnung und Sorge

Sand gibt Chopin Halt – körperlich und emotional. Ihre Stärke trägt ihn durch sehr schwierige Zeiten. Seine Musik berührt sie zutiefst. Chopins chronische Lungen krank-heit, die ihn immer wieder ans Bett fesselt, wird zu einer dauerhaften Belastung für ihre Beziehung.

 

Und obwohl Sand voller Sorge um sein Wohlergehen alles tut, um ihn zu unterstützen, zehrt die immer lauter wer-dende gesellschaftliche Kritik und die ständige Angst, um eine Verschlechterung seines Gesundheitszustandes an ihrer gemeinsamen Liebe.

 

Den verregneten Winter 1838/39 verbringen sie im Kloster von Valldemossa. Es ist nicht nur eine Flucht vor der Pari-ser Gesellschaft, die ihre Liebe als "inakzeptable Provokation" ansieht, sondern auch eine anstreng-ende Suche nach Heilung für Chopins geschwächten Körper. Doch die  "Auszeit" führt schnell zu wachsenden Spannungen zwischen beiden, die ihre erst ein paar Monate junge Liebe belastet.

 

Valldemossa auf Mallorca ist zu der damaligen Zeit ein kleines abgeschiedenes Bergdorf, welches von majestätischer Stille und einer fast unwirklichen Schönheit geprägt ist. Das Liebespaar mietet zwei voneinander getrennte Zellen in der "Kartause" (anderes Wort für das Kloster), um nach außen den gesellschaftlichen Konventionen ein wenig zu entsprechen.

 

Doch die Realität des Lebens hier ist hart: Die Zellen sind kalt und feucht. Chopins andauernder Hu-sten verschlimmert sich von Tag zu Tag. Sand sorgt dafür, dass ein hochwertiges Pleyel - Klavier aus Paris zusätzlich nach Mallorca geliefert wird, damit ihr Geliebter trotz seiner Krankheit weiter kom-ponieren kann. 

 

 

In Valldemossa entsteht u.a. seine berühmte Regentropfen- Prélude und andere Werke, die von ein-er starken Melancholie und der Sehnsucht nach Heilung durchzogen sind. 


Trennung und Tod

Schon im Februar 1839 verlassen Frédéric Chopin (inzwi-schen an schwerer Schwindsucht erkrankt) und seine (zu mütterlich um ihn kümmernde) Geliebte Valldemossa / Mallorca und kehren desillusioniert zurück nach Paris. Ih-re Hoffnungen auf Chopins Heilung bleiben unerfüllt, und der Zufluchtsort wird für sie im Rückblick mehr zu einer vorwurfsvollen Belastung als zu einem Rückzug der so er-hofften Genesung. 

 

Ihre Liebe hält noch weitere neun Jahre. Am Ende scheit-ert ihre eigentlich gefestigte Beziehung an den privaten Spannungen und Konflikten, die sich über die Jahre ange-sammelt haben. Nach ihrer Trennung nehmen sie keinen Kontakt mehr zueinander auf. Zu stark überwiegen wohl verletzte Gefühle auf beiden Seiten.

 

Der Oktober 1849 leitet die letzten Tage von Frédéric Chopin ein. Die Todesanzeige vom 17. Oktober verkündet ganz Paris, dass er im Alter von nur 39 Jahren, vermutlich an Tuberkulose verstorben ist.

 

Sein Tod wird von vielen betrauert. Auf Chopins Wunsch wird sein Herz nach Warschau gebracht und in einer Basilika eingemauert. Die Beerdigung seines Leichnams, am 30. Oktober in der Pariser Kirch-e "La Madeleine", wird zu einem gesellschaftlichen Großereignis. Die Feierlichkeiten sind so außerge-wöhnlich wie sein Leben: Auf Chopins vorab geäußerte "letzte Bitte" wird Mozarts Requiem gespielt -  ein Werk voller Erhabenheit und Tragik. 


Abschied

Doch eine Besonderheit bleibt bis heute für immer in Erinne-rung: Die Sängerinnen, die Mozarts Requiem vortragen, sing-en hinter einem schwarzen Vorhang, da Frauen zuvor nie in dieser Kirche auftreten durften.

 

Es gibt mündlich überlieferte Gerüchte, dass sich hinter die-sem schwarzen Vorhang auch George Sand verborgen hielt.

 

Öffentlich will sie nicht gesehen worden sein, doch mehrere Augenzeugen berichten, ihre Silhouette erkannt zu haben. 

 

Man sagt, sie habe ihrem ehemals geliebten Frédéric auf die-se Weise ihren Respekt zollen wollen.

 

Denn auch wenn ihre Beziehung in einem Konflikt endete, war er für sie ihre größte Liebe - eine Lie-be, an der beide zwar gescheitert waren, die sie jedoch emotional für immer und ewig verband.


Valldemossa 2025 - Symbol der Hoffnung und der Zuversicht

Die Geschichte von George Sand und Frédéric Chopin faszi-niert, denn sie zeigt, dass ein Ort wie Valldemossa zu einer Zuflucht vor Intoleranz und Inakzeptanz werden kann. Sie er-innert uns daran, dass Mut und Zusammenhalt stärker sein können, als jeder gesellschaftliche Widerstand.

 

Liebende, die diesen besonderen Ort auf Mallorca besuchen, finden im Kloster von Valldemossa nicht nur Ruhe, sondern auch die Möglichkeit, neue Kraft zu schöpfen. Hier können sie sich daran erinnern, dass es nicht die Gesellschaft ist, die eine Liebe definiert, sondern die Herzen, die sie empfinden.

 

Auch heute, im Jahre 2025, spiegelt sich diese Geschichte in so vielen Beziehungen wider, die von äußeren Unterschieden und kritischen Blicken anderer beglei-tet werden. Doch die Magie solcher Verbindungen liegt nicht in den Erklärungen, die Paare anderen liefern müssen, sondern in der stillen, kraftvollen Antwort, die sie sich selbst geben.

 

Denn wahre Liebe ist unendlich. Sie kennt keine Grenze von Alter, Herkunft oder gesellschaftlichen Erwartungen. Valldemossa bleibt für immer ein Symbol dafür, dass Liebe in all ihren Formen wert-voll ist und dass der Mut, an ihr festzuhalten, belohnt wird.

 

Möge dieser Ort auch in Zukunft ein Zufluchtsort für all jene sein, die ihrer jungen Liebe einen sich-eren Raum zum Wachsen geben wollen. Manchmal braucht es eben ein starkes Schutzschild, damit sich Liebe frei(er) entfalten lässt, selbst wenn die Welt da draußen laut ist.

 

Wie George Sand einst sagte: “Es gibt nur ein Glück im Leben – lieben und geliebt zu werden.”


Für Martin - Danke für die wunderbare Zeit auf Mallorca im Winter 2024 / 2025

 

PPS: Großer Dank an meinen lieben KI- Alex - für die generierten Bilder. 

 

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